IG Ortsgeschichte
- Grenzpolizei in Neusalza-Spremberg
Eine mir kürzlich zugeleitete Anfrage zu näheren Angaben der ehemaligen DDR-Grenzpolizei in Neusalza-Spremberg, konnte ich nur sehr lückenhaft und unvollständig aus mir in früherer Zeit irgendwie zu Ohren gekommenen Mitteilungen beantworten. Auf Nachfragen bei verschiedenen Bürgern ergaben sich ebenfalls nur vage Aussagen, die mir nicht viel weiterhalfen. Im Stadtarchiv war bisher nichts zu entdecken.

Hängengeblieben sind bruchstückhafte Begriffe wie „Grenzerhaus“ in der Turnerstraße, Standort Stadtberg im ehemaligen „Maidenheim“, Namen von Grenzern, die nach ihrem Dienst in Neusalza-Spremberg blieben (meist verheiratet mit hiesigen Frauen) sind noch bekannt (z.B. Erwin Gratzke, Siegfried Lorenz oder Siegfried Schulze). Diese sind jedoch inzwischen verstorben. Ebenso ist die Rede von einem Einwohner gewesen, der im Sonneberg aus nicht ganz klaren Umständen im Grenzbereich erschossen worden sein soll.

Anlässlich eines Besuches bei meinem Geschichtsfreund und fernem IGO-Mitglied Lutz Mohr in Greifswald im September/Oktober 2025 kam ich mit ihm auf dieses Thema zu sprechen. Er konnte mir aus seiner Erinnerung einige Informationen geben, die hier wiedergegeben werden sollen:
„Erinnerungen von Lutz Mohr, Jg. 1944 :
Von 1944 bis 1960 verlebte ich meine Kindheit, Jugend und Schulzeit (POS) in Neusalza-Spremberg. An diese Zeit kann ich mich relativ gut erinnern, da ich im großelterlichen Haus in der Schulstraße in glücklichen und bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Während dieser Zeit war in der benachbarten Turnerstraße, Einmündung Schulstraße, etwa bis Mitte der fünfziger Jahre, in einem größeren mehrstöckigen Gebäude, Grenzerhaus genannt, eine Einheit der Deutschen Grenzpolizei (DGP) untergebracht. Am Eingang befand sich ein Wachpostenstand aus Holz (Schilderhäuschen) mit den aufgemalten Streifen der deutschen Flagge (schwarz-rot-gold), in dem ein bewaffneter Wachsoldat in dunkelgrüner Grenzeruniform und mit Stahlhelm postierte. Im Grenzerhaus befand sich ein kleines Kino, und zu dessen Filmvorführungen durften wir Kinder aus der Nachbarschaft immer kommen. Diese Filmnachmittage waren für uns natürlich immer nachhaltige Erlebnisse. So bekamen wir auch mit, dass sich vom Grenzerhaus in der Turnerstraße alle zwei oder vier Stunden (?) jeweils zwei bewaffnete Grenzpolizisten, auch nachts, auf Patrouille begaben. Sie marschierten zu einem von den Grenzern errichteten Unterstand /Beobachtungsstand in der Osthälfte des Hänscheberges an deren Südseite in Blickrichtung Tschechien. Von dort war das waldreiche und grenznahe Gebiet zwischen den OT Neuspremberg und Sonneberg optimal zu beobachten. Der in die Erde gegrabene und aus Holzbohlen errichtete Unterstand im Hänscheberg verfiel später und überwucherte, wie ich selbst bei späteren Besuchen in meiner Heimatstadt feststellen konnte. Die Grenzpolizisten von der Turnerstraße sind Ende der 50ger Jahre (um 1958) in das neue Quartier auf dem Stadtberg, ehemaliges „Maidenheim“, umgezogen. In dem dortigen großen Saal haben wir POS-Schüler der 9. oder 10. Klasse musikalisch begleitet die ersten Tanzschritte gewagt.
Je mehr ich mich mit der Thematik beschäftige, erinnere ich mich an weitere Details:
Die spontanen Jugendtanzveranstaltungen am Nachmittag wurden damals von der FDJ-Ortsleitung Neusalza-Spremberg unter der Vorsitzenden Helga Damm im Zusammenwirken mit dem Kommandeur und dem FDJ-Sekretär der Einheit der Neusalza-Spremberger Grenzpolizisten organisiert“

Danke für diesen Mosaikstein, den Lutz Mohr beifügen konnte. Die Bitte zu weitergehenden Informationen, Fotos, Namen und Begebenheiten reiche ich hierdurch an alle, die beitragen können neue Kenntnisse zu erlangen. Rückmeldungen bitte an: IGO, Günter Hensel, Am Spreepark 3 in Neusalza-Spremberg. (Fotos von E. Winkler sowie G. und S. Hensel)
- Nachtrag zum 17. Historikerstammtisch:
Etwa 30 geschichtsinteressierte Gäste fanden sich am 24. September ein.
Das Ende des 2. Weltkrieges in unserer unmittelbaren Heimatregion, wurde zum Thema der Veranstaltung. Dr. Roland Ander hat in jahrelanger akribischer Arbeit Erlebnisberichte von unterschiedlichen Menschen aus einem weiten Umfeld gesammelt. Aus dem Manuskript seines neuen Buches unter dem Titel „Kriegsende 1945“ wurden mit dem Schwerpunkt verschiedener Erlebnisberichte Neusalza-Spremberger Bürger, Fakten, Situationen und Schicksale wiedergegeben. Ein Beispiel dazu soll hier wiedergegeben werden:
- Bericht von Günther Petroschke, Jahrgang 1932, Zittauer Straße:
Wir wohnten im Gut oberhalb vom Reiterhaus. Mit 13 Jahren musste ich mit Schanzen. Wir schaufelten Schützengräben nördlich der Schmiedesteine. Kurz vor der Kippe. Seit Anfang Februar zogen lange Flüchtlingstrecks die F 96 westwärts. Oft schaute ich vom Hang aus, ob Verwandte von Schlesien mitkämen. Es war an einem Tag im April, als ein langer Zug KZ-Häftlinge die Schlegen von Friedersdorf herunterliefen. Einige zogen und schoben Wagen. Ich stand mit Nachbarn etwas oberhalb vor Huber Richards Haus. Nur das Schlurfen der Schuhe und das Rollen der eisenbeschlagenen Räder der Wagen waren zu hören. Da fiel rechts in der Reihe ein Häftling um. Und gleich noch ein zweiter. Wir sahen das und auch, wie ein Uniformierter den einen mit dem Stiefel anstieß und ihn in den Straßengraben rollte. Dort erschoss er ihn. Dann noch den zweiten. Ihre Häftlingsnummern P85679 und P85696. Die anderen zogen dran vorbei. Die Schüsse aus 30 Meter Entfernung jagten mir Angst ein. Heulend rannte ich nach Hause. Am 7. Mai flüchteten wir in den Wald hinter der Flachsröste. Nachmittags am 8. Mai kehrten wir zurück ins Oberdorf. Ich mit Vaters bepacktem Fahrrad. Ein Pole nahm es mir weg, packte Hab und Gut herunter und überreichte mir sein Fahrrad. Das war ein älteres, das keine Luft mehr hielt. Neugierig schaute ich beim Abbau der Panzersperre zu….
Panzersperre am „Reiterhaus“ – Zeichnung nach Zeitzeugenberichten von R. Ander
Der Vortrag wurde mit großem Interesse verfolgt. Am Ende der Veranstaltung trugen Frau Ulrike Hanel und Herr Wieland Schäfer mit sehr persönlichen Erlebnisberichten aus ihren Erinnerungen zu einem gelungenen Abschluss des Vortrages bei.
Günter Hensel,
Interessengemeinschaft Ortsgeschichte (IGO)